Heimatverein Wellerswalde e.V.
 

Die schlesischen Umsiedler

Keiner der Schlesier hatte jemals daran gedacht, dass er einmal seine Heimat verlassen, ja sogar verlieren wird, bis der Krieswinter 1945 kam. Am Morgen des 13. Februar 1945, als das Schießen immer lauter wurde und die Geschosse über das Dorf pfiffen, zogen die ersten Kottwitzer los in Richtung Westen. Die wichtigsten Habseeligkeiten wurden zusammen mit Essen und Trinken sowie Futter für das Vieh auf Wagen geladen. Für mehr war keine Zeit und kein Platz. Einige vergruben Wertgegenstände, Papiere und Konserven in der Erde oder in der Scheune, weil sie mit einer Wiederkehr rechneten.

Der Flüchtlingstreck, bestehend aus Kindern, Frauen und alten Männern, bewegte sich über Naumburg nach Bobersberg, wo der Bober überquert wurde. Die Straßen waren voller Flüchtlinge zu Fuß und mit Gespannfahrzeugen.

Für die Nächte mussten Quartiere in den am Wege liegenden Orten gesucht werden. Viele deutsche Soldaten waren dort untergebracht, so dass die Meissten in Ställen und Scheunen unterkommen mussten. Extra eingerichtete Treckleitstellen sollten die Flucht koordinieren. Anfang März wurde die Elbe bei Lorenzkirch erreicht. Über eine Behelfsbrücke, über die immer nur ein Gespann durfte, wurde der breite Fluß überquert. Von Strehla ging es über Bornitz nach Lonnewitz zur nächsten Treckleitstelle. Von dort aus wurden die Kottwitzer nach Wellerswalde geschickt.

Angekommen:

Müde, hungrig, krank und um einiges ihrer persönlichen Habe unterwegs bestohlen, kamen sie in Wellerswalde an. Der Bürgermeister wies ihnen Quartier und Unterstand für das Vieh zu. Sie wohnten beengt, hatten nichts zum Heizen und mussten um etwas zu essen bitten. Allein im Wellerswalder Schloss waren 26 Familien untergebracht. Viele zogen später weiter, aber es blieben auch viele die in Wellerswalder Familien einheirateten und nach der Bodenreform sich ein neues Häuschen bauten und wieder ganz von vorn anfingen. Viele die das gleiche Schicksal teilten, hielten miteinander Verbindung. Durch den Fall der Mauer 1989 war es möglich sich endlich wieder zu besuchen. Zu Pfingsten 1994 trafen sich 17 Kottwitzer im Wirtshaus zur Einkehr. Bereits ein Jahr später, am 4.Juni 1995 gab es ein großes Wiedersehen der Kottwitzer in Wellerswalde auf dem Saal des Gasthofes.(Zeitzeugen wie Bilder, Landkarten und Chroniken der Kottwitzer, liegen in der Wellerswalder Heimatstube aus.) Nur wenige Kinder und Enkel der Betroffenen schlesischen Familien haben die Häuser und Höfe ihrer Vorfahren je kennengelernt! Das Dorf Kottwitz liegt im Kreis Freystadt, Bez. Liegnitz in Niederschlesien und gehört heute zu Polen.

Gunter Röhr